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Zugang zu Medikamenten – Notwendigkeit von Innovationen, Partnerschaften und Datenerhebung

Olivia Gull, Analystin im Governance und Responsible Investment Team, untersucht, wie Pharmaunternehmen das Problem des ungleichen Zugangs zu Medikamenten, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen, angehen.

12. Mai 2021
9 Minuten Lesezeit

Zentrale Erkenntnisse:

  • Der Zugang zu Medikamenten gilt als eines der vorrangigen Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG), mit denen sich die Pharmaindustrie auseinandersetzen muss.
  • Der Zugang zu Medikamenten ist ein komplexes Feld. Daher musste die Pharmaindustrie auf innovative Lösungen wie einkommensbasierte Preismodelle und Public-Private Partnerships zurückgreifen.
  • Daten sind für Unternehmen und Investoren ein wertvolles Instrument, um Zugang und Wirkung zu messen. Gleichzeitig entwickeln Unternehmen Rahmenwerke, um die Bewertung von Projekten zu verbessern.
  • Anleger können prüfen, wie der Zugang zu Medikamenten gehandhabt bzw. wie und wann die Zugangsplanung in F&E integriert wird, um die jeweilige Unternehmensstrategie zu verstehen.

Während der Corona-Pandemie konnte die Pharmaindustrie der Welt ihr soziales Wertversprechen demonstrieren. Die Gesellschaft konnte den direkten Zusammenhang zwischen Investitionen in Forschung und Entwicklung (F&E) und der Herstellung von lebensrettenden Medikamenten sehen. Darüber hinaus wurden diese Impfstoffe nur dank einer weltweit beispiellosen globalen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Privatsektor in Rekordzeit auf den Markt gebracht.

ESG-Anlagen (unter Berücksichtigung der Kriterien Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) sind inzwischen in aller Munde. Hinzu kommt die Forderung an Unternehmen, ihre Geschäftspraktiken mit den Nachhaltigkeitszielen (SDG) der Vereinten Nationen (UN) in Einklang zu bringen. Der Pharmasektor ist folglich bestens aufgestellt, um den Zugang zu Medikamenten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu verbessern. Infolgedessen beginnen viele Unternehmen damit, zu quantifizieren und zu dokumentieren, wie sie innovative Behandlungen für ungedeckte medizinische Bedürfnisse entwickeln, die so viele Patienten wie möglich erreichen können. Daten sind sowohl für Unternehmen als auch für Investoren zu einem wachsenden Wert geworden, und der Anstieg der wertorientierten Gesundheitsversorgung hat den Bedarf an der Erfassung von Patientenergebnissen verstärkt und ermöglicht innovativere Preismodelle auf der Grundlage von realen Daten.

Zugangskrise im Visier

Die pharmazeutische Industrie, die in den letzten Jahren unter einem angeschlagenen Ruf in der Öffentlichkeit1 litt, hatte die Möglichkeit, sich neu zu profilieren. Laut David Ricks, Firmenchef von Eli Lilly, bot die Corona-Pandemie der Branche „eine einmalige Gelegenheit, ihren Ruf wiederherzustellen“, indem sie ihren Innovationsgrad bei der Entwicklung und Verteilung neuartiger Medikamente an Menschen, die sie benötigen, bewies.2 Gleichzeitig wurde sie aber auch mit der extremen Ungleichheit des globalen Gesundheitssystems und der Krise beim Zugang zu Medikamenten konfrontiert. Als die COVID-19-Impfprogramme im letzten Jahr begannen, standen Milliarden von Menschen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen ganz hinten in der Warteschlange, um sie zu erhalten, und die Welt wurde Zeuge des politischen Stillstands um den Impfstoff-Nationalismus.

Pharmazeutische Unternehmen können allerdings allein keine Veränderungen bewirken. Zahlreiche Faktoren sind für den Zugang zu Gesundheitsversorgung maßgeblich, unter anderem die Effektivität der Gesundheitssysteme, der Zugang zu Versicherungen sowie die staatliche Steuer- und Beschaffungspolitik. Eines der Haupthindernisse, auf das die Unternehmen hinweisen, ist die fehlende Infrastruktur im Gesundheitswesen. Dieses Problem herrscht besonders bei Onkologie Präparaten, wo Bildgebung, Diagnostik und Fachärzte nicht immer zur Verfügung stehen, ganz zu schweigen von einer stabilen Stromversorgung oder Kühlschränken zur Lagerung von Proben und Chemikalien. Darüber hinaus fehlt es in vielen Gesundheitssystemen an spezialisiertem medizinischem Fachpersonal; es gibt logistische Herausforderungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, und es gibt Patientenfaktoren wie falsche Vorstellungen und Stigmatisierung im Zusammenhang mit Krankheiten und Medikamenten. Die Bewältigung dieser Probleme erfordert die Zustimmung der Regierungen und die Bündelung von Ressourcen, Fähigkeiten, Erfahrung und gutem Willen der verschiedenen Interessengruppen.

Zugang als Anlagekriterium nutzen

Investoren müssen verstehen, wie verschiedene Pharmaunternehmen sich im Rahmen ihrer Geschäftsstrategien mit dem Zugang zu Medikamenten befassen. Das gilt vor allem angesichts des steigenden Risikos des „SDG-Washing“, bei dem die UN-Ziele zu Marketingzwecken missbraucht werden. Die Strategie eines Unternehmens bei der Verbesserung des Zugangs zu Medikamenten könnte als Indikator für Innovationen und gute Unternehmensführung dienen und Anlegern Aufschluss darüber geben, wie das Unternehmen mit anderen Herausforderungen umgeht.

Wenn der Zugang Teil der strategischen Vision eines Unternehmens ist, kann das Unternehmen agilere und resilientere Wachstumsmärkte erschließen und alternative Gewinnquellen aufbauen.

Unternehmen, die in einen breiteren Zugang zu Medikamenten investieren, können damit auch ihr Image verbessern. Das könnte der Bindung von Talenten und der Gesamtproduktivität zugutekommen, wenn Mitarbeiter vom Sinn ihrer Arbeit überzeugt sind. Daneben könnte es die Bereitschaft zur Teilnahme an klinischen Studien in der Öffentlichkeit erhöhen.

Aufgrund der unterschiedlichen Produktportfolios und Geschäftsstrategien von Pharmaunternehmen ist es allerdings schwierig, die Initiativen für den Zugang zu Medikamenten zu messen und objektiv zu vergleichen. Ein nützliches Instrument für Anleger ist der Access to Medicine Index. Janus Henderson unterstützt diesen Index seit vielen Jahren aktiv. Der Index bewertet 20 der weltweit größten Pharmaunternehmen im Hinblick auf ihren Umgang mit Risiken und Chancen, um den Zugang zu Medikamenten in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen zu verbessern. Der Index misst eine Reihe von Werttreibern in der Pharmabranche, von Preisgestaltung über Forschung und Entwicklung (F&E) bis hin zu Unternehmensführung und Compliance, identifiziert vorbildliche Praktiken, überwacht Fortschritte und zeigt, wo noch dringender Handlungsbedarf besteht.

Innovative Lösungen

Da die Bemühungen um einen weltweiten Zugang zu Medikamenten sehr komplex sind, musste die Pharmaindustrie innovative Lösungen finden. Einen enormen Zuwachs verzeichnen in diesem Zusammenhang Public-Private Partnerships, auch öffentlich-private Produktentwicklungsgesellschaften (ÖPP) genannt. ÖPP haben vielen internationalen Pharmaunternehmen die Chance beschert, ihre Position in schwierigen Märkten durch Partnerschaften mit lokalen Herstellern zu festigen. Erfolgreiche ÖPP sind noch einen Schritt weiter gegangen und haben den Wissens- und Technologietransfer so genutzt, dass sowohl Industrie- als auch Entwicklungsländer davon profitieren.

Das unterstreicht nicht nur, wie wichtig langfristige Partnerschaften mit lokalen Akteuren und Erfahrungswissen sind, sondern auch den bedeutenden Beitrag, den Schwellenländer für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit und Strategien internationaler Pharmaunternehmen leisten können.

Viele Pharmafirmen bemühen sich daneben auch, den Zugang zur Gesundheitsversorgung durch die Entwicklung innovativerer Preisstrategien zu verbessern.

Dabei setzen sie auf flexiblere und differenziertere Preismodelle und einkommensgerechte Lösungen für ihre Produkte.

Der multinationale Pharmakonzern Takeda aus Japan hat beispielsweise ein Instrument zur finanziellen Unterstützung bedürftiger Patienten entwickelt, der vor allem den Zugang zu Medikamenten gegen Lymphome in Thailand verbessern soll. Pfizer hat mit der Entwicklung eines Modells für eine bezahlbare Gesundheitsversorgung für Patienten den Zugang zu seinen Onkologie Präparaten in Ländern wie den Philippinen verbessert, wo weniger als 2% der Patienten den Listenpreis bezahlen konnten.

Novartis lancierte neben den Originalmarken Präparate für Schwellenländer, um unterschiedliche Einkommensgruppen zu bedienen. Unter anderem handelte es sich um ein Asthma-Medikament in Indien und ein Migräne-Präparat in Mexiko. Das zugehörige Patientenhilfsprogramm des Unternehmens evaluiert Patienten und verwendet nationale Einkommensdaten, um Zahlungsgrenzen exakt zu bestimmen. Das Programm ist außerdem mit einer App verknüpft, über die der Patient ein Migränetagebuch führen kann und Ärzte die Ergebnisse überwachen können.

Daten als wertvolles Gut

Viele innovative Preismodelle wurden erst durch die zunehmende Sammlung und Analyse von Daten möglich. Unternehmen investieren in digitale Gesundheitstechnologien und Datenanalyse, um empirische Beweise zu sammeln und zu analysieren, Patientenergebnisse zu überwachen und Erkenntnisse darüber zu sammeln, inwiefern Patientenmerkmale die Gesundheitsergebnisse beeinflussen. Der Datenhunger wird daneben auch durch das Drängen von Politikern und Ärzten auf eine stärker wertorientierte Versorgung genährt. Das erfordert einen ganzheitlicheren Ansatz bei der Preisgestaltung und eine engere Zusammenarbeit zwischen Pharmaunternehmen, Kostenträgern, Ärzten und Patienten.

Daten sind inzwischen ein wertvolles Gut, das Unternehmen dabei hilft, ihre Schwerpunkte im Bereich Forschung und Entwicklung zu bestimmen, neue und bestehende Produkte zu positionieren und eine Feedback-Schleife für ganzheitlichere Innovationen über die gesamte Wertschöpfungskette zu bieten. In Ländern mit niedrigen Einkommen, in denen die Datenbarriere aufgrund fehlender Infrastruktur und fest verankerter IT-Netzwerke in Kliniken geringer ist, besteht die Möglichkeit, die schnelle Datenerhebung in großem Stil und die direkte Gesundheitsversorgung durch mobile Kommunikation voranzutreiben.

Die Erfassung von Daten, die Messung der Wirkung und der Übergang zu einem ergebnisorientierten Finanzierungsmodell macht Programme nicht nur kostengünstiger und hilft Unternehmen, Lücken aufzuspüren, sondern gestattet auch innovativere Finanzierungsmöglichkeiten.

Um Anlegern umfassendere und vergleichbare Informationen an die Hand zu geben, entwickeln Unternehmen Rahmenwerke zur Messung der Auswirkungen. Novartis setzt beispielsweise auf eine recht ausgereifte „Bewertung der sozialen Auswirkungen“, die die Ergebnisse mehrerer Präparate in seinem Portfolio in 117 Ländern berechnet. Takeda entwickelte dagegen zusammen mit der Duke University in North Carolina ein Rahmenwerk für die Messung der Auswirkungen auf die Gesundheit. Der französische Multi Sanofi arbeitet mit externen Partnern zusammen, um Informationen über die langfristigen Auswirkungen seiner Projekte für einen verbesserten Zugang zu messen und zu veröffentlichen. Das britische Unternehmen GlaxoSmithKline (GSK) arbeitet an der Entwicklung eines Dashboard zur Impact-Beurteilung, um Initiativen auf breiter Front zu bewerten.

Zugangsstrategien hinterfragen

Am besten können Anleger anhand verschiedener Fragen erkennen, welche Pharmaunternehmen mit Blick auf den Zugang zu Gesundheitsversorgung eine Vorreiterrolle spielen:

Hat das Unternehmen einen Rahmenplan für den Zugang entwickelt, der in der gesamten Produktpipeline umgesetzt wird?
Unterstützt das Unternehmen die Bemühungen um den Aufbau lokaler Kapazitäten, die Aus- und Weiterbildung von Gesundheitspersonal und die Zusammenarbeit mit Stakeholdern vor Ort?
Gibt es Compliance-Kontrollen und Audits, um das Korruptionsrisiko im gesamten Geschäftsbetrieb zu mindern?
Gibt es Ausschüsse auf Vorstandsebene, die direkt für die Förderung und Belohnung effektiver Zugangsstrategien in allen Portfolios verantwortlich sind?

Anleger sollten ferner untersuchen, wie und wann die Zugangsplanung in F&E eingebunden wird. Zugangspläne können unterschiedlichste Formen haben, angefangen von der Priorisierung von Hochrisikobereichen bei der Registrierung über freiwillige Lizenzvereinbarungen bis hin zur Stärkung der Lieferketten.

Fazit

Der Zugang zu Medikamenten verbessert sich zwar, ist aber bei Weitem noch nicht ausreichend. Laut der Access to Medicine Foundation konzentriert sich die Forschung und Entwicklung nach wie vor auf einige wenige Krankheiten und Länder, sodass nur ein Bruchteil der bedürftigen Menschen davon profitiert. Die Corona-Pandemie offenbart Lücken im globalen Gesundheitssystem und zeigt die Abhängigkeit von zu wenigen Akteuren bei der Bekämpfung neuer Infektionskrankheiten. Zudem beteiligt sich nur noch eine Handvoll Pharmaunternehmen an der Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika.

Die Pandemie bietet der Branche die Chance, sich neu zu positionieren und auf bestehenden Kooperationen aufzubauen, um sich Themen jenseits von COVID-19 zu stellen. Laut der Access to Medicine Foundation haben alle 20 untersuchten Unternehmen konkrete Ziele und Vorgaben für einen verbesserten Zugang festgelegt. Immer mehr Unternehmen wagen sich an Geschäftsmodelle, die explizit Menschen am unteren Ende der Einkommenspyramide einbeziehen.12 Es ist Aufgabe aller Anleger, die Unternehmen für die Einhaltung dieser Ziele zur Rechenschaft zu ziehen, innovative Preismodelle und Partnerschaften zu fördern und zu überwachen, wie Unternehmen Daten erheben und ihre Auswirkungen messen. Ferner müssen Investoren die Akteure fragen, ob sie genug tun, um dafür zu sorgen, dass ihre Produkte so viele Menschen wie möglich erreichen.

 

Glossar:

Kostenträger: Gruppen, Organisationen oder andere Personen (ausgenommen Patienten), die die Kosten für Arzneimittel und Gesundheitsdienstleistungen finanzieren oder erstatten.

Quellenverzeichnis:

1Americans’ Views of U.S. Business and Industry Sectors, 2020, Gallup Poll, August 2020
2https://www.fiercepharma.com/pharma/amid-challenges-a-covid-19-opportunity-for-pharma-a-chance-to-bolster-its-reputation-lilly
3, 4, 10, 11, 12 Access to Medicine Index 2021, Published on 26 January 2021
5https://www.astrazeneca.com/investor-relations/emerging-markets-expansion-innovation-and-partnership.html as at 10 May 2021.
6AstraZeneca Full-year 2020 results, 11 February 2021
7Bloomberg, 9 September 2019
8https://investors.pfizer.com/investor-news/press-release-details/2020/Pfizer-Completes-125-Billion-Sustainability-Bond-for-Social-and-Environmental-Impact/default.aspx
9ESG Today, 17 September 2020 – Novartis Launches Healthcare Industry’s First Sustainability-Linked Bond Offering https://www.esgtoday.com/novartis-launches-healthcare-industrys-first-sustainability-linked-bond-offering/

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